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Themenreihe „Offene Türen“: Junge Geflüchtete in Niedersachsen

Foto: CIS/pixelio.de

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Flüchtlinge in Niedersachsen: Zahlen, Daten, Fakten

  • Ende 2014 hielten sich 13.642 mit laufendem Asylverfahren in Niedersachsen auf. Zudem lebten hier 12.351 Flüchtlinge mit einer sogenannten „Duldung“ und 17.932 Flüchtlinge mit einer Aufenthaltserlaubnis aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen.
  • Flüchtlinge werden in Deutschland nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ auf die Bundesländer verteilt. Niedersachen nimmt rund 9 Prozent der Asylsuchenden in Deutschland auf.
  • Die Gruppe junger Menschen unter den Geflüchteten, vor allem junger Männer, ist überproportional groß.
  • Niedersachsen hat vier große Landesaufnahmestellen: in Braunschweig, Friedland, Osnabrück und Bramsche. Dort verbringen Flüchtlinge die ersten Wochen ihres Aufenthalts. Nach maximal drei Monaten werden sie auf die Landkreise und Städte „verteilt“. Auch für diese Verteilung gibt es eine Quote entsprechend der Bevölkerungszahl und der wirtschaftlichen Stärke. Nur selten haben Flüchtlinge bei der Wahl ihres Wohnorts ein Mitspracherecht.
  • Die meisten Kommunen in Niedersachsen bemühen sich, Flüchtlinge dezentral, das heißt in Wohnungen, unterzubringen; Massenlager und Gemeinschaftsunterkünfte sollen vermieden werden. An einigen Orten ist dies jedoch nicht der Fall. Vor allem auf dem Land haben viele Flüchtlinge nur einen erschwerten Zugang zu Schulen, Ärzten und Beratungsstellen.

Geflüchtete Kinder und Jugendliche

35,8 Prozent der in 2013 neu aufgenommenen Flüchtlinge waren Minderjährige. Junge Flüchtlinge werden in Deutschland in vielerlei Hinsicht benachteiligt. Manche Aspekte dieser Benachteiligung liegen im Asylrecht selbst, andere haben ihre Ursache in der Überforderung von Aufnahmestellen und Behörden. Einige Missstände seien hier erwähnt.*

Die Regelungen des Aufenthalts- und Asylverfahrensrechts stehen im Widerspruch zur Kinderrechtskonvention. Zum Beispiel werden kinderspezifische Gründe wie Zwangsverheiratung im Asylverfahren kaum berücksichtigt, weil Kinder und Jugendliche bis zu ihrem 16. Lebensjahr zusammen mit ihren Eltern behandelt werden. Junge Geflüchtete werden also nicht nach ihrer Situation im Herkunftsland befragt.
Nur zehn Prozent aller in Deutschland lebenden Flüchtlingskinder besitzen einen gesicherten Aufenthaltsstatus. Die Mehrheit lebt demnach über Jahre mit einer Duldung oder läuft Gefahr, abgeschoben zu werden. Rechtlich können sie sogar in Abschiebehaft genommen werden. Kinderwohlüberlegungen spielen bei Abschiebungen keinerlei Rolle. Ein Gefühl von Sicherheit ist aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich Kinder und Jugendliche frei entwickeln und entfalten können. Diese Unsicherheit wird zudem durch die langen Asylverfahren verstärkt. Im Jahr 2013 mussten Familien durchschnittlich fast ein Jahr auf eine Entscheidung warten.
Bezüglich der medizinischen Versorgung sind junge Geflüchtete im Vergleich zu hier geborenen Kindern und Jugendlichen erheblich benachteiligt. Die Notwendigkeit des Arztbesuchs muss von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Dies kann zu unnötigen Verzögerungen bei dringenden Untersuchungen und Behandlungen führen.
Viele Flüchtlingsfamilien sind in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Diese bieten keine geeigneten Räumlichkeiten für eine kindgerechte Entwicklung. Kinder und Jugendliche müssen auf engstem Raum sogar mit Unbekannten leben. Es gibt keine Mindeststandards, was Raumgröße, sanitäre Anlagen, Spielmöglichkeiten oder sonstige Ausstattung betrifft.
Junge Geflüchtete übernehmen in der Familie oftmals Verantwortlichkeiten der Eltern, wodurch sich traditionelle Rollen ändern. Das hängt meist damit zusammen, dass Kinder und Jugendliche die Sprache schneller erlernen und damit Übersetzungstätigkeiten übernehmen. Solche schwierige Konstellationen, in denen Kinder als junge Erwachsene behandelt werden, können der Entwicklung schaden.
Für junge Geflüchtete ist der Bildungsweg mit vielen Hürden versehen. Bereits die Einschulung von Flüchtlingskindern kann kompliziert sein, weil es nicht immer genügend Schulplätze oder passende Sprachangebote gibt. Für Schüler/innen ab 16 Jahren ist es noch schwieriger, weil sie teilweise keine Schule mehr finden, die sie aufnehmen möchte. Ohne Abschluss einen Ausbildungsplatz zu finden, ist jedoch quasi unmöglich. Wer trotz aller Hürden als Geduldete/r eine Ausbildung findet, kann es trotzdem schwer haben. Denn die Gefahr abgeschoben zu werden, stellt einen Unsicherheitsfaktor für die Wirtschaft dar.

Forderungen des Deutschen Bundesjugendrings

„Jugendverbände fordern, das Kindeswohl für junge Menschen ohne langfristig gesicherten Aufenthalt in Deutschland in den Mittelpunkt zu stellen und ihnen damit gesellschaftliche Teilhabe und persönliche Weiterentwicklung zu ermöglichen.“ So heißt es in einem Beschluss des Deutschen Bundesjugendrings aus dem Herbst 2014.  Dies sind einige der Forderungen im Einzelnen:

  • Berücksichtigung der Interessen von jungen Flüchtlingen in Politik, Gesellschaft und Verwaltung
  • Uneingeschränkter Zugang von jungen Flüchtlingen zum Gesundheitswesen inklusive Traumabehandlungen
  • Anerkennung von jungen Flüchtlingen als Menschen mit eigenen Herkunftsgeschichten, Fluchterfahrungen und Bedürfnissen; keine Betrachtung als „Anhang“ der zugezogenen Eltern
  • Vollständige Abschaffung der Residenzpflicht, die zum Beispiel die Teilnahme von Kindern und Jugendliche an Ferienfreizeiten nur mit hohem bürokratischem Aufwand erlaubt
  • Grundsätzliches Bleiberecht für alle Kinder und Jugendlichen
  • Sofortiger Stopp der Abschiebung von Kindern und Jugendlichen in unsichere Herkunftsländer
  • Schaffung der Möglichkeit einer Berufsausbildung mit einem Bleiberecht für diesen Zeitraum
  • Gezielte Unterstützung des Zugangs zu Kita, Schule, Ausbildung und Schule; interkulturelle Öffnung dieser Einrichtungen; altersgemäße Sprachförderung; Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen
  • Möglichkeiten aktiver Mitbestimmung eröffnen
  • Gleichberechtigter Zugang zu Freizeitangeboten und außerschulischen Bildungsangeboten
  • Keine Unterbringung von Familien in Gemeinschaftsunterkünften

Wir im VCP!?

Die Bundesleitung schreibt in ihrem Brief an die Pfadfinderinnen und Pfadfinder im VCP: „Wir Pfadfinderinnen und Pfadfinder sind verpflichtet, uns für die Belange von Kindern und Jugendlichen einzusetzen. Wir müssen hier Zeichen setzen! Wir stehen für eine Willkommenskultur. Und wir wollen durch Aktionen und Aktivitäten geflüchtete Menschen unterstützen.“
Wie kann das konkret gehen? Wir im Landesteam hören immer wieder von Aktionen einzelner Stämme und Gruppen für und mit jungen Flüchtlingen, aber noch haben wir kein umfassendes Bild davon, wer vor Ort in welcher Weise aktiv wird. Wir freuen uns deshalb, wenn die Gruppen, die bereits erste Erfahrungen in der Arbeit mit Flüchtlingen gesammelt haben, sich mit mir, Katrin, in Verbindung setzen und davon erzählen. Gerne möchten wir diese Erfahrungen bündeln und wiederum an alle weitergeben. So können wir am besten voneinander lernen! Der VCP Land Niedersachsen ist zudem in der AG „Jugendarbeit und (junge) Flüchtlinge“ des Landesjugendrings  vertreten. Gerne will ich auch dort eure Anliegen einbringen und gleichzeitig die Erfahrungen der anderen Jugendverbände an euch weitertragen.

Gesicht zeigen - Zeichen setzen!

Trotz einer großen Solidaritätswelle für Flüchtlinge in Deutschland gibt es auch diejenigen, die auf die zunehmenden Flüchtlingszahlen mit Abgrenzung und Rassismus reagieren. Es gibt vermehrt Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in allen Teilen Deutschlands. In den sozialen Medien begegnet uns beispiellose Hetze. Es ist wichtig, diesen diskriminierenden Bemerkungen entgegenzutreten damit nicht der Eindruck von gesellschaftlichem Konsens entsteht. Wie man vorgehen kann, erklärt die Internetseite „Netz gegen Nazis“.
Pro Asyl hat „Fakten und Argumente zur Debatte über Flüchtlinge in Deutschland und Europa“ zusammengestellt – eine sehr gute Argumentationshilfe gegen Stammtischparolen.

Die Organisation Campact bietet ein kostenloses „Willkommenspaket“ an. Inhalt sind Aufkleber und ein Poster mit dem Schriftzug „Refugees welcome“. Die Vision, die damit verbunden ist, lautet: „Wenn die Aufkleber überall im Land an den Briefkästen und die Plakate an den Türen hängen, heißt das: Bei uns ist kein Platz für Hass.“

Wer politisch Stellung beziehen möchte, kann zum Beispiel die Online-Petition von amnesty international unterzeichnen: für sichere Fluchtwege nach Europa!

Themenreihe „Offene Türen“

In den nächsten Wochen wird der AK RelPäd hier bei Cemp Online regelmäßig Beiträge einstellen um Hilfsstellungen und Anregungen zu geben für die Arbeit für und mit jungen Flüchtlingen. Falls ihr dem AK ein Feedback geben wollt, könnt ihr dies hier gerne tun.

Weiterlesen

Hier ein paar hilfreiche Links für alle, die sich umfassender informieren wollen:

Deutscher Bundesjugendring: Arbeitshilfe: Jugendverbandsarbeit mit jungen Geflüchteten

DPSG: Leitfaden für Begegnungen

Pro Asyl: Herzlich Willkommen. Wie man sich für Flüchtlinge engagieren kann

Flüchtlingsrat Niedersachsen: Leitfaden: Junge Flüchtlinge in Niedersachsen

Flüchtlingsrat Niedersachsen: Flüchtlinge unterstützen, Diskriminierung entgegentreten. Grundlagenwissen zu Flucht und Asyl in Niedersachsen

*Dieser Abschnitt ist eine Zusammenfassung des Kapitels „Lebensrealitäten von jungen Geflüchteten“ in der Arbeitshilfe des Deutschen Bundesjugendrings.

 

Katrin Rehfuss

 

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