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Friss-oder-Stirb-Gesellschaft?

Woher kommt es nur, dass immer mehr Menschen immer weniger aufeinander achten?

Das fällt mir zunehmend häufiger auf. Ein Beispiel hierfür, das sich (und da spreche ich aus persönlicher Erfahrung) täglich wiederholt, sind viele Zugfahrer und Zugfahrerinnen, die man allgemein hin auch Berufspendler nennt. Kaum ertönt die Ansage durch die Lautsprecher am Bahngleis "Bitte Vorsicht an Gleis 9, ihr Zug fährt jetzt ein", geht das Gedrängel auch schon los. Jeder will die "Pole-Position", wie Formel 1-Fans zu sagen pflegen.

Dass man schon herum geschubst wird bevor der Zug kommt, daran hat man sich bis dahin bereits gewöhnt. Schließlich musste man zuvor ja noch die Treppen zum Gleis erklimmen und was sich da für rücksichtslose Szenen abspielen, darauf möchte ich gar nicht weiter eingehen! Hauptsache, man hat selber genug Gepäck und Gehstock oder Regenschirm dabei, um es den anderen Fahrgästen heimzuzahlen und sich selber rüpelhaft überall durchdrängeln und dabei mit seinem Gepäck möglichst viele Leute anstoßen können — so, als wäre das ein Spiel. Eine Alternative zu dem vor Jahren bekannten "Giana Sisters" oder auch "Mario Brothers", wo man Kästchen anrempeln muss und dabei Punkte sammeln kann.

Schön ist es auch immer wieder einen Regenschirm säbelgleich in die Rippen zu bekommen, nur weil der Besitzer diesen genauso transportieren muss wie ein Leiterträger, der sich mit der Leiter auf der Schulter zu verschiedenen Seiten dreht und dabei alles mögliche mit dem hinteren Ende der Leiter umschmeißt.

Aber kommen wir doch zurück zu der Ansage am Bahngleis und dem daraufhin eintreffenden Zug. Insgesamt wird ja behauptet, die Menschen seien zivilisiert und fortschrittlich — schade nur, dass man nicht auch durchweg sagen kann, die Menschen seien klüger geworden. Der Zug rollt noch wenige Zentimeter und schon sind alle Zugeingänge blockiert. Wie gesagt, man will ja die Pole-Position. Schade nur, dass die Zugeingänge auch die Zugausgänge sind. An sich sollte man ja meinen, je leichter und damit schneller andere Fahrgäste aussteigen können, umso schneller kann man selbst einsteigen!? Schade nur, dass das die vielen Berufspendler in der Masse nicht genauso sehen. Im Gegenteil!

Genau die sind es, die sich während der Zugfahrt lautstark darüber beschweren, dass mal wieder die Durchsage kommt: "Aufgrund von Störungen im Betriebsablauf haben wir eine Verspätung von einigen Minuten. Daher können sie leider ihre Anschlusszüge am nächsten Bahnhof nicht mehr erreichen."

Dabei sind sie es häufig selber, die diese Störungen zu verantworten haben. Der durchschnittliche Aufenthalt eines Zuges an einem Bahnhof zwischen zwei Stationen dauert ca. 3 Minuten. Wenn man jedoch morgens durch die Masse von Berufspendlern aussteigen möchte (Rushhour 7:00 Uhr) geht das aufgrund der besagten Tunnelbildung vor dem Ein- und Ausstieg eben nur in Schneckentempo. Da reichen 3 Minuten halt nicht immer aus.

Ist man erst mal im Zug angekommen, geht das rücksichtslose Verhalten weiter. Jeder denkt nur an sich, stößt und rempelt oder schaut zumindest furchtbar böse, während er gedehnt langsam seine Taschen — die gerade noch auf jenem Platz lagen — auf den Boden stellt, wenn man fragt, ob man sich auf den theoretisch freien Nachbarplatz setzen könne. Glücklicherweise muss man sich nicht um die alten Leute im Zug kümmern. Die stehen nämlich noch am Bahngleis, weil niemand geholfen hat, deren Tasche in den Zug zu hieven. Hat es dann doch mal jemand von diesen geschafft in den Zug zu kommen, darf man — übrigens genau wie bei Hochschwangeren oder Müttern mit kleinen Kindern — lange darauf warten, dass mal jemand sagt: "Sie können hier auf meinem Sitz Platz nehmen".

"Lustigerweise" hört man dann irgendwann später wie genau diese Personen sich mal wieder über die Jugend von heute beschweren. Aber wie gesagt, selber sind sie keinen Deut besser und machen ebenso nicht für ältere Herrschaften oder Schwangere oder Mütter mit ihren Kindern Platz.

Während die Berufspendler also ohne Rücksicht auf andere stoßen und rempeln als gäbs Freibier, sind die Schulpendler damit beschäftigt sich gegenseitig ihre neuesten Klingeltöne oder sonstige Geschichten lautstark vorzuspielen. Was da besser ist? Ich weiß es nicht! Aber wie sollte sich da auch etwas verändern oder verbessern, wenn man unter den "großen" und "erwachsenen" Menschen immer seltener Vorbilder findet? Menschen, die couragiert helfen, wenn es notwendig ist und füreinander einstehen. Ist das schon die "Friss-oder-Stirb-Gesellschaft"? Die "Keine-Rücksicht-auf-andere-Gesellschaft"? Ist das eine Erweiterung zu den schon bestehenden Schwierigkeiten die wir in Deutschland hinsichtlich finanzieller Probleme und Arbeitslosigkeit schon haben? Wohin soll das noch führen? Wo werden wir in 10 oder 20 Jahren stehen?

Ich kann und will nicht glauben, dass ich mich alleine darüber wundere und manchmal auch ärgere. Ich glaube auch nicht, dass ich die Einzige bin, die sich darüber Gedanken macht. Als Mensch und als Pfadfinderin sind mir Werte wie Solidarität durchaus noch ein Begriff. Vielleicht hat aber BP durch seine Aussage "Jeden Tag eine gute Tat" und dem damit verbundenen Wunsch, dass Pfadfinder und Pfadfinderinnen stets offene Augen und Ohren für die Probleme dieser Welt haben und sich hilfsbereit verhalten mögen, etwas in mir bewirkt.

Dafür nehme ich es gerne in Kauf von anderen belächelt zu werden, wenn ich erzähle, ich sei Pfadfinderin. Auch der Vergleich mit Fähnlein Fieselschweif stört mich nicht mehr. Genauso wie die Witze darum, dass Pfadfinder alte Leute über die Straße ziehen um ihre gute Tat zu vollbringen, auch wenn diese sie gar nicht überqueren wollten.

Ich weiß nicht mehr wo, aber irgendwo habe ich mal gelesen oder gehört:

"Der Herr möge mir die Kraft schenken, Dinge zu ändern die ich ändern kann und die Gelassenheit Dinge hinzunehmen die ich nicht ändern kann!"

Ich weiß, man kann nicht alles ändern, aber einiges eben doch!

Ich gehöre zu denen, die für ältere Personen oder anderweitig Bedürftige Platz machen, mal den Einkaufskorb zum Wagen tragen oder jemanden aufhelfen, wenn dieser gestürzt ist. Du auch?

Baden-Powell soll nicht umsonst gesagt haben:

"Verlasst die Welt ein bisschen besser, als ihr sie vorgefunden habt."

(Dies ist ein Beitrag von Sandra Bertelsmann)

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